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Seligsprechung von Papst Paul VI. am 19. Oktober 2014 in Rom
Der emeritierte Papst Benedikt XVI. will am Sonntag an der Seligsprechungsmesse für Paul VI. im Vatikan teilnehmen. Das teilte Vatikansprecher Federico Lombardi am Freitag vor Journalisten im Vatikan mit. Zu dem Gottesdienst kämen auch die beiden noch von diesem Konzilspapst kreierten Kardinäle Paulo Evaristo Arns (93) aus Brasilien und der US-Amerikaner William Wakefield Baum (87) nach Rom, fügte er hinzu. Auch Kardinal Joseph Ratzinger war von Paul VI. in das Kardinalskollegium aufgenommen worden.
Radio Vaticana überträgt den Gottesdienst – der den Abschluss der Generalversammlung der Bischofssynode bildet – sowie die Seligsprechung live und mit deutschem Kommentar ab 10.20 Uhr auf dem Vatican Player. Der entsprechende Link befindet sich in der rechten Spalte auf der Vaticana- Homepage. Aber auch unter www.domradio.de/live-aus-vatikan können Sie die Ereignisse live im Internet verfolgen.
Das Interesse für die Selig- und Heiligsprechung der Päpste Johannes XXIII. (1958-1963) und Johannes Paul II. (1978-2005), die Papst Paul VI. (1963-1978) gleichsam einrahmen, hat die Würdigung des Lebens und Wirkens des Konzilspapstes ein bisschen verdeckt.
Die Seligsprechung am Sonntag, 19. Oktober 2014, gibt Gelegenheit, dies wenigstens in einigen Grundzügen nachzuholen.
Papst Paul VI. mit dem bürgerlichen Namen Giovanni Battista Montini wurde am 26. September 1897 in Concesio bei Brescia in der Lombardei als Sohn eines Zeitungsverlegers und Politikers geboren. Das Bürgertum von Brescia ist sich bis heute seiner Geschichte und Kultur bewusst, was man beim Vater Montini und auch noch in der Familie gut wahrnehmen kann. Der Sohn wurde bereits 1920 zum Priester geweiht und absolvierte anschließend in der Päpstlichen Diplomatenakademie in Rom seine Studien, besonders durch Doktorate in Kirchenrecht und Philosophie.
Die einzige Auslandsstelle verbrachte er an der Nuntiatur in Warschau (1923). Bald wurde er Mitarbeiter im vatikanischen Staatssekretariat, wo er 1937 (Substitut) bzw. 1952 (Pro-Sekretär) sehr hohe Aufgaben übernahm. Bis heute bleibt es unklar, warum Papst Pius XII. den von ihm geschätzten Montini 1954 zum Erzbischof von Mailand ernannte. Er wurde erst vier Jahre später von Papst Johannes XXIII. zum Kardinal erhoben. Er hat sich in Mailand mit großer Kraft der Großstadtseelsorge gewidmet, besonders auch der Arbeiterwelt. In Rom hatte er während seiner diplomatischen Tätigkeit viele Jahre die katholische Studentenschaft in Rom und ganz Italien (FUCI) als sehr geschätzter Geistlicher Assistent begleitet.
Am 21. Juni 1963 wurde Montini als Papst Paul VI. Nachfolger von Johannes XXIII. Mit großer Entschlossenheit setzte er das Konzil fort. Dies gilt nicht nur für seine große Aufmerksamkeit für das Konzilsgeschehen, sondern besonders auch für die Verwirklichung der nachkonziliaren Reformen bis zu seinem Tod am 6. August 1978. Er hat als Papst die für die Kirche schwierigen, aufgestauten Probleme der Moderne erkannt und die „Zeichen der Zeit“ nüchtern zur Kenntnis genommen. Er bereiste als erster Papst die Welt, baute Brücken zur Orthodoxie, zum Judentum und galt rasch durch seinen Einsatz für Evangelisierung, Frieden, Entwicklung und Gerechtigkeit als der erste moderne Papst. Er hat selbst durch zusätzliche eigene Studien z. B. die nachkonziliare Reform der Liturgie sehr verantwortungsvoll und zügig verwirklicht. Die sogenannte Ostpolitik, die in den 1970-er Jahren durch eine gewisse weltpolitische Entspannung möglich wurde, wurde besonders in Deutschland kritisch betrachtet. Der Papst wollte jedoch durch eine Entspannung im Verhältnis zu den kommunistischen Staaten spürbare Erleichterungen für die Kirchen vor Ort erreichen. Er hat jedoch von Anfang an, gerade auch bei seinem UN-Besuch, stets Gewissens- und Religionsfreiheit gefordert. Mit Jugoslawien kam es 1966 sogar zu einem Konkordat. Die Erforschung dieser Zeit ist noch im Gange. Es gab sogar 1974 einen Nuntius in Kuba. Aussichtslos war die Lage allein in Albanien. Paul VI. neigte jedenfalls zum Dialog, selbst mit Moskau und mit China. Er betonte zu seiner Zeit bereits sehr deutlich, die Kirche müsse noch mehr eine Kirche der Armen werden. Im Jahr 1964 hat er – auch sonst ein Mann der Gesten und Symbole – die Tiara, die dreifache Krone des Papstes, die ihm das Erzbistum Mailand zu seiner Wahl geschenkt hatte, für immer abgesetzt und zugunsten der Armen verkauft.
Paul VI. hat große Dokumente verfasst und veröffentlicht. Dazu gehört seine auch heute noch wichtige Antritts-Enzyklika „Ecclesiam Suam“ über die Kirche und den Dialog, zumal mit der modernen Welt. Als er 1968 die Enzyklika „Humanae Vitae“ zu den Fragen von Ehe und Familie heute, besonders aber zu den schwierigen Fragen von Empfängnisverhütung und Geburtenregelung, veröffentlichte, war er sich des großen Gewichts der Sache sehr bewusst: „Schweigen können wir nicht. Reden ist problematisch. Solche Fragen hat die Kirche seit Jahrhunderten nicht lösen müssen.“ Er hat die Einsamkeit seiner Entscheidung angenommen: „Und bei Entscheidungen sind wir ganz allein. Entscheidungen zu treffen ist nicht so leicht wie Studieren. Aber wir müssen ja etwas sagen. Was? … Gott muss uns erleuchten.“ Der Papst war über das überwiegend kritische Echo in der Weltkirche für den Rest seines Lebens – immerhin noch zehn Jahre – tief enttäuscht und schwer getroffen. Bis heute gilt er für viele als der „Pillenpapst“. Man muss aber zugleich betonen, dass dies wenige Zeilen in einer lehrreichen Enzyklika zu Ehe und Familie sind, was leider bis heute nicht genügend beachtet wird. Aber deswegen darf man viele Errungenschaften unter diesem Pontifikat nicht vergessen: die Schaffung des erneuerten Messbuches 1969, der Weltfriedenstage, der Abteilung für Moderne Kunst in den Vatikanischen Museen, der Bischofssynode, seine Äußerungen zum Frieden und zur Entwicklung der Völker (Enzyklika „Populorum Progressio“). Unvergessen sind seine ökumenischen Akzente, z. B. die Reise ins Heilige Land, die Begegnungen mit dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras in Istanbul und in Rom.
Man wirft Paul VI. oft Zwiespältigkeit und Unentschlossenheit vor. Er hat sich in Wirklichkeit aber den Schwierigkeiten des Dialogs der Kirche mit der Moderne gestellt und keine einfachen Lösungen begünstigt. Gewiss waren nicht alle seine Eingriffe während des Konzils glücklich, aber sie sind durchaus nachvollziehbar. Manchmal war er bei der erdrückenden Fülle von Problemen geradezu schwermütig. Ich bin überzeugt, dass wir ihn bisher verkannt haben. Jörg Ernesti hat uns eine ehrenrettende, gewiss auch nüchterne und objektive Biografie geschenkt (Paul VI. Der vergessene Papst, Freiburg i. Br. 2012). Die Seligsprechung muss in diesem Zusammenhang gesehen werden. Paul VI. hatte nicht die Ausstrahlung von Johannes XXIII. und nicht die suggestive Wirkung von Johannes Paul II. Aber er hatte trotz manchen Zögerns eine im Kern richtige und mutige Linie. Der deutsche Kirchenhistoriker Georg Schwaiger hat ihm mit folgenden Worten ein schönes Denkmal gesetzt: „Zu Lebzeiten vielfach verkannt, nicht selten auch angefeindet, verklärt sich das Bild dieses Papstes zum respektvollen Verstehen seiner Persönlichkeit und seines Handelns. Die eine Gruppe hatte ihn als progressistisch geschmäht, die andere als zu konservativ angegriffen. Paul VI. hat sich nicht leicht gelebt. Aber es sind die besten Päpste gewesen, die an der Last ihres Amtes schwer getragen haben.“ (Papsttum und Päpste im 20. Jahrhundert, München 1999) Die Seligsprechung eines auch religiös vorbildlichen Papstes gibt eine Gelegenheit, im Bild dieses Papstes einiges wiedergutzumachen. (dbk – Kardinal Karl Lehmann)
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