Kirchengemeinden Niederzier
Faszination Pilgern. 22 Jahre Radwallfahrt St. Antonius Hambach nach Kevelaer
Pilger sein heißt Fremder sein, dies ist jedenfalls die klassische Bedeutung des lateinischen Wortes peregrinus. Pilgern ist nicht nur auf die christliche Religion beschränkt, auch in anderen Religionen sind Pilgerreisen Bestandteil der Frömmigkeit. Im Mittelalter unterschied man drei Typen von Pilgerfahrten; die aus freiem Willen, die aufgrund eines Gelöbnisses oder die aus Buße. Die Buß- oder Strafpilgerfahrten waren meist erzwungene Maßnahmen, um ein begangenes Unrecht wieder gut zu machen. Es gab aber auch jene, die Bußpilgerfahrten freiwillig auf sich nahmen. Im theologischen Denken ist das Leben eine einzige Pilgerfahrt. Der Satz Vita est pergrination zielt auf das Erdenleben als Unterwegssein zum himmlischen Frieden.
Der erste Pilgerort im christlichen Glauben war wohl Jerusalem als Entstehungsort der Heilsgeschichte. Aber auch Orte, an denen z.B. Apostel lehrten oder lebten, wurden zu Orten besonderer Ausstrahlung und somit in den Mittelpunkt geistlicher Kontemplation gestellt. Später gesellten sich zu den biblischen Wallfahrtsorten jene Orte dazu, an denen bestimmten Menschen himmlische Erscheinungen und nicht erklärbare Begebenheiten zuteil wurden. Von Mythen und Wundern wurde berichtet, Menschen starben weil sie aufgrund ihres Glaubens verfolgt und getötet und zu Märtyrern erhoben wurden. Viele der Märtyrer wurden selig oder sogar heilig gesprochen und als Schutzheilige für die unterschiedlichsten Bereiche eingesetzt. Durch den Reliquienhandel wurden Teile ihrer Körper oder ihrer Kleidung in die Gemeinden geholt, wo sie als Fürsprecher und Mittler bei Gott verehrt werden konnten, ohne dass die Gläubigen eine gefahrvolle Reise unternehmen mussten.
Mit der Zeit kristallisierten sich besondere Pilgerziele heraus, die durch die Kraft der entsprechenden Reliquie den Pilgern eine besonders starke Vergebung ihrer Sünden versprach. Hierzu gehören u.a. Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela. Aber auch Orte mit unerklärlichen Wundern und Visionen ließen die Pilgerströme fließen. Hierzu zählen z.B. Fatima und Lourdes. Endlich sind noch die Stätten zu nennen, an denen Kleidungsstücke oder andere heilige Artefakte verehrt werden wie in Trier und Turin.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich in den Gemeinden Wallfahrten herausgebildet, die im nahen und mittleren Umkreis ihr Ziel fanden. Die Pfarrgemeinde Niederzier bietet heute noch regelmäßige Wallfahrten nach Nievenheim, Heimbach, Trier und Kevelaer an.
Bild 1 Kevelaer war vom 28.08 – 30.08.2014 Ziel der Radwallfahrt der Gemeinde Sankt Antonius Hambach. Der Freitag begann schon früh um 6:30 Uhr mit einem Frühstück im Pfarrgemeindehaus. Fleißig Hände hatten dort bereits den Tisch gedeckt und den Pilgern Kaffee gekocht. Nach dem Frühstück folgte in der Kirche eine kurze Andacht, in der Pastor Andreas Galbierz für die Pilger den Segen Gottes erbat. Pünktlich um 7:30 Uhr startete die Radwallfahrt in Richtung Hinsbeck, dem abendlichen Ziel des ersten Tages. Bei gutem Wetter und munterer Laune passierte der Tross Welldorf, Münz und Katzem, um danach den ersten Zwischenstopp Kückhoven zu erreichen. Der dort wartende „Marketenderwagen“ versorgte die Pilger mit kleinen Aufmerksamkeiten wie Getränken und Leckereien. Von dort aus ging es weiter nach Ralshoven, wo in der Gnadenkapelle „Maria Hilfe der Christen“ die erste Meditation stattfand. Der Himmel meinte es gut und bei Sonnenschein erreichten die Pilger Heidend, ein kleiner Ortsteil von Dilkrath. In einem ehemaligen Schweinstall eines Bauernhofes nahmen sie ihr Mittagessen zu sich. Neben verschiedenen Salaten und Frikadellen, die einige Pilgerinnen selbst gemacht hatten, gab es einen leckeren Nachtisch, der die Kräfte für die Weiterfahrt noch einmal mobilisierte.
Bild 2 Einige nutzten die Pause für ein kurzes Nickerchen oder zu einem netten Gespräch unter Gleichgesinnten. Während der Weiterfahrt nach Hinsbeck gab es immer wieder Gelegenheiten einer kleinen Pause, bei der die Radfahrer mit süßen Aufmerksamkeiten aus dem Begleitfahrzeug rechnen konnten. Gegen 17:00 Uhr war das erste Ziel, Hinsbeck, erreicht. In der dortigen Jugendherberge, die oberhalb des Ortes lag, gab es nicht nur bequeme Betten, sondern auch ein ordentliches Abendessen. Nach dem Abendessen führte der Weg in die Kirche Sankt Peter, in der die Abendandacht stattfand. Nach der Andacht wurden zwei Pilgerinnen, die zum zehnten Mal, und zwei Pilgerinnen, die zum zwanzigsten Mal an dieser Wallfahrt teilnahmen, geehrt. Es war ein bewegender Augenblick, bei dem auch einige Tränen flossen. Wieder zurück in der Jugendherberge wurde der verbleibende Abend dazu genutzt, bei einem lockeren Zusammensein die Verbundenheit der Pilger untereinander zu stärken.
Der nächste Tag begann schon früh. Nach dem Frühstück um 7:15 Uhr formierte sich der Pilgertross wieder zu einem Korso in Richtung Kevelaer. Gutgelaunt trotz Aussicht auf Regen ging es durch die Wankumer Heide und vorbei am Wankumer Heidesee nach Straelen. Hinter Straelen wurde an einem Ort halt gemacht, der alleine durch seine Geschichte schon einen meditativen Charakter hatte. Hier wurden 1635, einem Jahr, in dem die Pest bittere Ernte hielt, 389 Pestopfer beigesetzt. Das Hagelkreuz, das bereits im Jahr 1439 an diesem Platz aufgebaut wurde, war schon von jeher Station von Kevelaerpilgern. 1762 wurde die Anlage mit 13 Lindenbäumen bepflanzt. Wenig später wurde der Hain um drei Kniefälle Christi, die ihren Platz neben der Kapelle fanden, erweitert. Bei der Kapelle fand eine Meditation statt, die die Pilgergruppe auf das Ziel, Kevelaer, vorbereitete.
Bild 3 Gegen 10:30 Uhr wurde der Wallfahrtsort erreicht. Angeführt von der Pilgerfahne zogen die Peregrinos mit Gesang in die Stadt ein. Mit Stolz und Rührung schritten die Pilger auf ihr Ziel, die Marienbasilika zu, von wo aus die Glocken den Einzug der Pilgergruppe mit ihrem Klang begleiteten. Viele berühmte Persönlichkeiten sind diesen Weg schon gegangen. Papst Johannes Paul II., Mutter Theresa und Josef Kardinal Ratzinger, um nur einige zu nennen, haben mit ihrem Besuch die Bedeutung der Pilgerstätte unterstrichen.
Bild 4 Um 10:00 Uhr begann die Pilgermesse (an der auch die große Zahl der Buspilger aus Hambach teilnahmen), in der Pastor Galbierz als Cozelebrant die Messe begleitete. In der Predigt des Ortspfarrers verglich dieser die Marienkirche mit dem Himmel auf Erden. Tatsächlich ließ der Prunk, mit der die Basilika ausgestattet ist, die Herzen höher schlagen.
Bild 5 Nach der Messe nutzten die Pilger die Zeit, um die Marienkapelle zu besuchen. Die Geschichte dieser Kapelle geht zurück in das Jahr 1642. Ein geldrischer Händler Namens Hendrick Busmann hörte kurz vor Weihnachten 1641 an der Kreuzung der alten Handelsstraßen Amsterdam-Köln und Münster-Brüssel dreimal den geheimnisvollen Ausruf: „An dieser Stelle sollst du mir eine Kapelle bauen!“. Ausgelöst durch diese Ereignisse fasste er den Beschluß, der Stimme Folge zu leisten. Nachdem seine Ehefrau Mechel bei Nacht ein großes, glänzendes Licht gesehen hatte, in dessen Mitte sich ein Heiligenhäuschen mit einem Andachtbild befand, löste er sein Versprechen ein und baute trotz widriger Umstände einen Bilderstock in der Gestalt, wie ihn Mechel gesehen hatte, an dieselbe Stelle, wo er die Stimme zuvor vernommen hatte. Am 1. Juni 1642 weihte der Pfarrer von Kevelaer ein Bildstöckchen an der Wegkreuzung und setzte einen Kupferstich der Gottesmutter Maria „Consolatrix Afflictorum“ (Trösterin der Betrübten) von Luxemburg ein. Damit begann die Geschichte der Wallfahrt in Kevelaer.
Bild 6 Nach dem Mittagessen im Pilgeramt hatte jeder Teilnehmer bis15:45 Uhr die Zeit zur freien Verfügung. Einige nutzten sie, um einen Stadtbummel zu machen; andere nahmen noch am Kreuzweg teil.
Die inzwischen einsetzenden Regenschauern konnten die Teilnehmer bei der Rückfahrt nach Hinsbeck nicht von der tollen Stimmung abbringen, die der Besuch in Kevelaer bewirkt hatte.
Der Abend gestaltete sich dank Grillfleisch und außergewöhnlicher Tombola wieder sehr kurzweilig und lustig.
Bild 7 Der letzte Tag der Wallfahrt begann offiziell um 7:00 Uhr. Der ortsansässige Schützenverein jedoch ließ es sich nicht nehmen, die Pilger bereits um 6:00 Uhr mit Blasmusik zu wecken (Zufall da Herbstkirmes in Hinsbeck). Schon während des Frühstückes merkte man den Teilnehmern an, das sich eine gewisse Ungeduld breit machte, die sich immer wieder einzuschleichen scheint, wenn die Heimfahrt ansteht.
Boisheim war die erste Station auf dem Heimweg. Hier fand eine Messe in der Kirche Sankt Peter statt, von der die Predigt des Ortsgeistlichen für Furore sorgte. Mit klaren Worten warnte er vor einem möglichen, bevorstehenden Flächenbrand in Europa, den er bestimmten Politikern vorwarf und Ross und Reiter offen namentlich benannte.
Schwarz wölbte sich das Firmament nach der Messe über dem Ort und es dauerte nicht lange, und der Himmel öffnete seine Schleusen. Doch der Guss dauerte nicht lange und die Fahrt konnte wieder fortgesetzt werden. Nach einem Mittagessen in einer Gaststätte waren die heimatlichen Gefilde nicht mehr weit. Um 16:30 Uhr wuchs der Kirchturm der Dorfkirche Sankt Antonius sprichwörtlich aus dem frischen Grün der Wiesen vor den Grenzen des Dorfes empor. Die Wallfahrt neigte sich dem Ende. Noch einmal wurde die Pilgerfahne ans Fahrrad gebunden und gemeinsam fuhren die Radpilger den Weg durchs Dorf zur Kirche. Hier fand die Schlussandacht statt, in der Gott für die segensreiche Wallfahrt gedankt wurde. Die Andacht endete mit einem Gedicht von Leonhard Chollewig aus Düren.
Die Pilgerfahrt
Meine Pilgerfahrt auf Erden
kommt meinem Leben gleich,
ich kann erst dann zufrieden werden,
wenn ich mein Ziel erreich.
So viele Menschen mit mir gehen
wir haben alle das gleiche Ziel,
darum wir uns auch gut verstehen
und doch, es ist kein leichtes Spiel.
Es werden dann auch Tränen kommen
in unserer Not und Traurigkeit,
wir werden aber auch Kraft bekommen
denn unser Weg, der ist noch weit.
Wir werden miteinander gehen
und ist der Weg auch noch so weit,
wir haben Freud und Leid gesehen
mir tut keine Stunde Leid.
So geht die Pilgerfahrt zu Ende
und Gott uns seine Hände reicht,
er gibt uns ein Leben ohne Ende
die Pilgerfahrt meinem Leben gleicht.
Bild 8 An dieser Stelle sei noch einmal Dank gesagt an die Organisatoren dieser Radwallfahrt. Namentlich Renate Iven, für ihren unermüdlichen Einsatz bei der Planung. Marianne Vontz für ihre spirituelle Arbeit für die Gruppe, Angelika Schröder für ihre herzliche Art, die Verpflegung an die Frau bzw. an den Mann zu bringen, Robert Schmitz, der das Begleitfahrzeug fuhr und all diejenigen, die unerkannt im Hintergrund ihre Arbeitskraft der guten Sache zur Verfügung stellten.
Hans Dieter Ludwig
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